Nachdem aufgrund der Corona-Pandemie in den letzten zwei Jahren kein Trainingslager für den Roten Stern aus Halle stattfinden konnte, sollte diese Tradition in diesem Jahr wieder zurückgeholt werden. Mit mehr als fünfzig Mitgliedern reisten die Sterne am letzten Juli-Wochenende an die Ehle nach Gommern. Den Kontakt zur Eintracht stellte Timo Wacker her, ein ehemaliger Blau-Gelber, der seit 2013 auch der Abteilungsleitung der Eintracht angehört: „Ich hab von 2001 bis 2019 hier in Gommern Fußball gespielt und alle Jugenden bei der Eintracht durchlaufen. Als Spieler der Generation Gommeraner Jungs 95/96 e.V. habe ich hier die Möglichkeit bekommen dreimal beim Gothia-Cup in Schweden anzutreten, ein Turnier in Polen zu spielen und ein Trainingslager auf Mallorca zu absolvieren. Das sind Erfahrungen, von denen ich heute immer noch gern erzähle. Ich hab hier nicht nur das Fußballspielen gelernt, sondern auch eine ganz besondere Jugendzeit verbringen können. Darum war es für mich auch eine Herzensangelegenheit mit meinen Roten Sternen hierher nach Gommern zu kommen!“
Wacker wechselte 2019 als Spieler zu Roter Stern Halle und übernahm außerdem einen Co-Trainerposten und coacht die zweite Herrenmannschaft an der Seite von Sandra Köhler: „Ich hatte damals private Probleme, mir mit einem Knöchelbruch eine weitere schwere Verletzung zugezogen und mein Lebensmittelpunkt lag studienbedingt seit 2013 bereits in Halle. Außerdem hat mich die Möglichkeit einen Trainerposten zu übernehmen damals wie heute extrem gereizt. Trotzdem ist mir der Wechsel von der Eintracht nicht leicht gefallen.“
Die Idee eines Trainingslagers in Gommern entstand im Frühjahr und nach wenigen Telefonaten waren die Rahmenbedingungen bereits geklärt. Dem Roten Stern wurden die Sportanlagen am Sportforum und am Volkshaus für ihre drei Herren- und zwei Frauenteams für das komplette Wochenende zur Verfügung gestellt. Übernachten konnte man in der Ernst-Ebert Sporthalle oder im mitgebrachten Zelt am Sportforum.
„Wir fanden eine beeindruckende Sportanlage in Gommern vor und waren von den Möglichkeiten, die uns die Eintracht zur Verfügung gestellt hat, total begeistert! Optimale Voraussetzungen für ein gelungenes Trainingslager.“, so ein Sprecher vom Roten Stern.
Am Freitag wurde bis 16 Uhr angereist und nach einer kurzen Begrüßung startete man zunächst mit einem teamübergreifendem Turnier und später am Abend in den jeweiligen Teams ins Trainingslager. Für ihr eigenes Team hatten Köhler und Wacker noch eine Nachteinheit am Volkshaus unter Flutlicht geplant. „Es war toll zu sehen, wie viel Bock die Spieler auf diese Einheit hatten. Wir haben gerade erst in die richtige Saisonvorbereitung reinstarten können und eine sehr intensive Woche hinter uns gehabt, aber unter Flutlicht haben alle Spieler absolut mitgezogen und sind bis an ihre Grenzen gegangen. Ich war absolut zufrieden mit meinem Team“, ließ Sandra Köhler wissen.
Am Samstag stand dann, nachdem am Vormittag individuell trainiert wurde, das geplante Highlight an diesem Wochenende an: Ein Testspiel der ersten Herren des RSH gegen die Landesklasse-Vertretung des SV Eintracht Gommern.
Zunächst testete die zweite Herren noch gegen die dritte Vertretung des RSH und die Frauenteams versammelten sich geschlossen zu einer intensiven Krafteinheit auf der Sanddüne am Kulk. Während die Frauen sich total auspowern durften aber auch viel Spaß an ihrer kombinierten Sand-See Einheit hatten, galt es für beide Herrenteams sich neu zu finden und kennenzulernen. Viele Spieler haben nach der letzten Saison die Teams gewechselt, sodass es in jedem Team einen Umbruch gegeben hat. Beide Trainer zeigten sich nach dem Test erkenntnisreicher, zufrieden, aber vor allem auch zuversichtlich, dass man in der Saisonpause mit dem Umbruch den richtigen Weg eingeschlagen hat, der für den Gesamtverein eine sehr spannende Entwicklung verspricht.
Das Ziel ist es, mit der ersten Herren, die derzeit in der Stadtoberliga in Halle spielen, so bald wie möglich in die Landesklasse aufzusteigen. „Für uns als Verein wäre es ein tolles Aushängeschild, wenn unsere beiden ersten Vertretungen der Frauen und Männer auf Landesebene spielen. Die Frauen spielen bereits in der Landesliga, für die Herren gilt es hier zeitnah nachzuziehen!“
Mit dem Ziel vor Augen, kam ein Testspiel gegen Eintracht Gommern für RSH-Trainer Silko Gastel genau richtig: „Eine tolle Möglichkeit zu schauen, wie weit wir im Team sind. Auch wir starten mit einem sehr durchgemischten Kader in die neue Saison und sind gerade erst am Beginn unserer Vorbereitung, da war mir klar, dass noch nicht alle Stellschrauben richtig eingestellt sein können. Aber man wird nur besser, wenn man sich mit Besseren misst, darum war ich von der Testspiel-Idee sehr angetan!“
Auch Florian Sprengler, Trainer von Eintracht Gommern, musste sich nicht lange bitten lassen: „Ein Testspiel gegen ein uns bislang unbekanntes Team aus der Stadtoberliga ist immer reizvoll! Für uns gilt es in Tritt zu kommen, bevor die Saison startet und unsere Ziele sind in der neuen Landesklasse-Staffel 4, in welcher wir ab dieser Saison antreten, nicht weniger ambitioniert geworden.“
Das Spiel sei nur knapp zusammengefasst: Gommern startete druckvoll in die Partie und ging früh durch Tobias Jankow in Führung. Die Sterne brauchten die Anfangsphase, um sich zu finden, tauchten dann aber immer wieder gefährlich vor dem Eintracht-Tor auf, schafften es aber nicht den Ball im Tor unterzubringen. Die Ehlekicker hingegen zeigten sich gnadenlos effektiv und gingen nach 25 Minuten durch Neuzugang Maximillian Kompf mit 2:0 in Führung. Kompf war es auch, der in der zweiten Halbzeit das 3:0 parierte, ehe Sindermann mit 4:0 den Endstand herstellte.
Kevin Schulz, der als Mannschaftskapitän seinen Trainer am Spielfeldrand vertrat, zeigte sich unterm Strich zufrieden: „Ein Ergebnis, welches unserer Favoritenrolle gerecht wird, aber den Spielverlauf nicht vollends wiedergibt. Insbesondere in der ersten Halbzeit waren wir sehr unkonzentriert im Spielaufbau und haben viele Fehlpässe gespielt. Dadurch lassen wir viele vermeidbare Torchancen zu, da wir nicht mehr geschlossen hintern den Ball kommen können. Wäre der Rote Stern konzentrierter in ihren Abschlüssen gewesen, wären wir nicht gegentorlos vom Platz gegangen. Darum auch großen Respekt an unsere Gäste, die einen tollen Fight geliefert haben! Dem Roten Stern Halle wünschen wir viel Erfolg für die kommende Saison und bedanken uns für das intensive Testspiel!“
„Ich hätte dem Team ein Tor gewünscht, zahlreiche Chancen dafür hatten wir!“, so Gastel kurz nach Abpfiff des Spiels, „Trotzdem ein großes Lob an das Team! Wir haben im gesamten Spiel nie die Ordnung verloren oder den Kopf hängen lassen. Das zollt mir eine Menge Respekt ab. Am Ende ist der Klassenunterschied vermutlich am deutlichsten bei der Chancenverwertung sichtbar gewesen, denn da zeigte sich die Gommeraner einfach brutal effektiv!“
Für zwei Personen auf dem Platz hatte das Testspiel dann noch einen ganz besonderen Charakter. „Für mich war es einfach ein absolutes Highlight nochmal in Gommern in einem Spiel auf dem Platz zu stehen! Ich gehöre normalerweise nicht zum Kader unserer ersten Herren, darum bin ich sehr dankbar, dass mir die Möglichkeit dafür gegeben wurde nochmal hier zu spielen.“, äußerte sich Timo Wacker.
Außerdem war es für Nell Biallaß das erste Testspiel, welches sie als Roter Stern bei den Männern mitspielen durfte. Die 23-jährige ist zuversichtlich zur kommenden Saison eine Spielberechtigung für das Männerteam zu erhalten und wird dann das Team von Silko Gastel unterstützen. „Ich trainiere seit etwa einem dreiviertel Jahr beim Roten Stern Halle im ersten Männerteam mit und fühle mich mittlerweile hier unfassbar wohl. Es ist ein Traum von mir in der kommenden Saison zusammen mit dem Team auf dem Platz zu spielen und hoffentlich viele Siege einzufahren!“ Das Biallaß hier durchaus eine große Verstärkung ist, hat sie in dem Testspiel gegen Gommern nochmal deutlich zeigen können. Technisch und spieltaktisch ist Biallaß hervorragend ausgebildet und weiß es, diese Fähigkeiten auf dem Platz zu bringen. Für den RSH ein tolles Projekt und alle Beteiligten hoffen, dass die Spielgenehmigung zur kommenden Saison erteilt wird!
Zum Abschluss des Samstages wurde dann noch gemeinsam mit Gommern gegrillt und Hartmut Sens verpflegte alle Anwesenden aus der „Roten Karte“ heraus mit Kaltgetränken. Später am Abend zog es einige Sterne wieder zum Kulk ins Wasser und man genoss gemeinsam den Sonnenntergang, ehe man wieder zum Sportforum aufbrach. Dort wurde noch lange gemeinsam gefeiert und man genoss es sichtlich, dass endlich nach langer Corona-Pause wieder ein teamübergreifendes Event in der Form stattfinden konnte, bei dem der gesamte Verein wieder enger zusammenrücken konnte.
Leider ist der Abend an dieser Stelle nicht zu Ende erzählt, sondern nahm eine bedauernswerte Wendung, die nicht unerwähnt bleiben soll. Gegen 3 Uhr in der Nacht tauchten etwa 20 Personen am Sportforum auf, die massiv bedrohlich und gewaltbereit wirkten. Sie versuchten gewaltsam in die Turnhalle einzudringen, in der Mitglieder des RSH schliefen, drohten mit Gewalt, schmissen Flaschen und Steine in Richtung unserer Zelte und in Richtung der Sporthalle. Verletzt wurde in dieser Nacht zum Glück niemand, die Ernst-Ebert-Sporthalle wies jedoch mehrere Einschlagslöcher von Steinwürfen auf. Außerdem wurden von vier Autos des RSH die Kennzeichen samt Halterung abgerissen, von denen drei bis heute nicht wiedergefunden werden konnten.
Dem Vernehmen nach fühlten sich diese Personen von dem Roten Stern Halle provoziert. Einerseits, weil der Verein aus der verhassten Stadt Halle kommt und andererseits, weil der Rote Stern Halle, ganz in der Tradition aller Rote Stern Vereine, nicht politisch neutral auftritt. „Wir sind ein Verein, der sich auf gewisse Grundwerte geeinigt hat und diese nach außen hin auch vertritt. Dazu gehören: Antifaschismus und die Ablehnung jeder Form des Rassismus, Sexismus und Antisemitismus. Darüber hinaus verstehen wir unsere gesellschaftliche Aufgabe als Verein darin, Plattformen zu schaffen, auf denen über ein Miteinander und ein Zusammenleben in der Gesellschaft gestritten wird.“, stellt ein Vertreter des RSH klar.
Auch Gommern-Trainer Sprengler zeigte sich entsetzt: „Vielen Dank, dass ihr bei uns wart und wir ein Testspiel durchführen konnten.
Wir wünschen allen Mannschaften von Roter Stern Halle eine erfolgreiche Saison!
Bleibt schön gesund! Zu dem Vorfall am Abend können wir uns nur entschuldigen und hoffen, dass sich keiner verletzt hat. Ich persönlich finde es unglaublich schade, dass es immer noch solche Leute gibt, die andere schädigen wollen nur weil die politische Einstellung oder der Vereinsname ein anderer ist.“
Eine Erfahrung, auf die der RSH gerne hätte verzichten können, aber mit der es jetzt gilt produktiv umzugehen. Es wäre nicht der Rote Stern, wenn der Vorfall einfach unkommentiert geblieben wäre. So wurden für Sonntag Vormittag alle Trainingspläne verworfen, um sich erst gemeinsam und anschließend nochmal innerhalb der einzelnen Teams zusammen zu setzen, um über den nächtlichen Vorfall zu sprechen. Eine Debatte über die Grundwerte des Vereins und über die Repräsentation dieser Werte nach außen sowie der eigenen Verantwortung dabei wurde an dem Vormittag begonnen. Eine Thema, welches noch einige Zeit nach dem Trainingslager im Verein weitergeführt werden wird und hoffentlich viele fruchtbaren Erkenntnisse und kreative Ideen zur Folge haben wird. Für diese Chance durfte der Sport am Sonntag ausnahmsweise mal in den Hintergrund treten.
Anschließend hieß es nochmal freies Kicken am Sportforum, gemeinsames Aufräumen und Aufbrauchen der letzten Essensreserven. Der Grill wurde also ein letztes Mal angeschmissen, die Handballer des SV Eintracht Gommern, die in der Eintracht-Halle ein eigenes Trainingslager absolvierten, wurden spontan mit eingeladen und es wurde ein letztes gemeinsames Essen in Gommern eingenommen. Die übrigen Rester wurden verteilt oder an Hartmut Sens übergeben, der zeitnah mit den Gommeranern zum Saisonauftakt noch einmal grillen möchte. Wir hoffen, dass dann wohlwollend an die Roten Sterne gedacht wird!
Der Rote Stern Halle bedankt sich noch einmal an dieser Stelle beim SV Eintracht Gommern für die Möglichkeit eines Trainingslagers auf einer großartigen Sportanlage und in einer wunderschönen Stadt. Es konnte nicht nur anständig trainiert werden, sondern auch als Verein teamübergreifend enger zusammengerückt werden, was mindestens genauso wichtig ist, wie der sportliche Erfolg beim Roten Stern. Ein besonderer Dank geht auch nochmal an Hartmut Sens, der uns das ganze Wochenende immer wieder begleitet und geholfen hat und es sich auch nicht nehmen ließ am letzten Tag einen Eintracht-Wimpel als Andenken an unseren Vereinsvorsitzenden zu überreichen.
Auch Frank Lindner, Abteilungsleiter des SV Eintracht Gommern, sei noch einmal an dieser Stelle für die unkomplizierte Organisation gedankt. Ob der Rote Stern Halle einer erneuten Einladung nach Gommern im nächsten Jahr folgen wird, ist zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht abzusehen, aber die schöne Stadt Gommern wird der ein oder andere definitiv in Zukunft noch einmal aufsuchen und bei der Gelegenheit an ein (fast) durchweg positives Trainingslager zurückdenken können!